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„Die Gehälter der Journalisten werden sinken“

Eingestellt am 08.07.2010

Münster. Im Rahmen der Vortragsreihe "Germanistik im Beruf" referierte am Dienstag, 6. Juli, der langjährige Spiegelredakteur Joachim Mohr über das Thema „Traumberuf Journalist - zwischen Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung“. Nachdem Mohr seinen ganz persönlichen, aber sehr typischen Weg in den Journalismus geschildert hatte (freie Mitarbeit bei einer Lokalzeitung, Praktika, Volontariat bei der FR, Lokalredakteur bei der FR, 1993 die Berufung zum Spiegel als Bildungsredakteur im Innenressort), nahm er auch zu den Zukunftsperspektiven des journalistischen Berufs Stellung.

Dabei malte er zwar kein durchweg düsteres Bild, aber er hielt auch unmissverständlich fest: „Der Journalismus ist einem dramatischen Wandel ausgesetzt. Niemand weiß, wie sich die Einnahmen entwickeln. Der finanzielle Druck auf die Verlage wird wachsen, weil es noch kein Modell für den paid content im Internet gibt“. Der Spiegel betätige sich zwar sehr erfolgreich im Internet mit spiegel-online, Geld verdient werde damit aber nicht.

„Die Gehälter der Journalisten werden sinken“, sagte Mohr in der gut gefüllten Studiobühne, „die Verleger haben die Tarifverträge gekündigt. Es wird mit den Gewerkschaften nur noch eine Kappung der Gehälter verhandelt und Kürzungen beim Urlaubsgeld und beim Weihnachtsgeld.“

Er bereitete den journalistischen Nachwuchs auch darauf vor, dass er zukünftig nicht mehr nur festangestellt für einen Arbeitgeber tätig sein wird, sondern freiberuflich für mehrere Arbeitgeber arbeiten muss. Was auch voraussetze, dass man als Journalist multimedial unterschiedliche Medien und auch die PR-Branche bedienen können müsse.

Die unsichere Erlössituation der Medien führe leider dazu, so Mohr, dass sich Werbung und Journalismus immer mehr vermische. Das sei ein Trend, der auch vor seriösen Frauenzeitschriften nicht halt mache. Unabhängiger Journalismus könne nur noch da entstehen und bestehen, wo die Verlage nicht erpressbar sind durch Werbekunden. Auch in der Geschichte des Spiegel habe es immer wieder solche Erpressungsversuche gegeben.

Für den Medienmarkt insgesamt erwartet Mohr eine Entwicklung wie auf dem Lebensmittelsektor. „Da wird es den Discounter geben, die Frauenzeitschrift für 50 Cent, und den Premiumsektor. Das Mittelfeld wird verschwinden, auch die ganz normale Tageszeitung wird es schwer haben.“

Mohr enttäuschte sein Publikum nicht und gönnte ihm ein paar intime Einblicke in das Innenleben des legendären Hamburger Nachrichtenmagazin. So verriet er, was ein „Bärenführer“ ist (eine Art journalistischer Gruppenleiter, der die Textteile verschiedener Autoren zu einer Geschichte zusammenführt), warum ein „obgleich“ im Spiegel immer ein Zeichen dafür ist, dass in der Hektik in die Schlussredaktion etwas schief gelaufen ist, und wie der Spiegel an die SMSen von Politiker kommt.

Frank Biermann

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